Bilder ab 2015
Auch im Hinblick auf die Bilderserie ab 2015 versteht sich Horst Noll als „Farb-Forscher“, als bescheidener „Initiator“ der Farbe, die sich auf den zumeist kleinformatigen Werken gleichsam selbstverwirklicht. Der freie, ungezwungene Dialog zwischen Maler und Material lässt, wie schon bei den früheren Bildern, einen fast energetisch vibrierenden, mehrdimensionalen Farb-Bildraum entstehen, welcher im Ganzen die der Farben innewohnenden Kräfte freisetzt. Erst beim spontan-intuitiven Malprozess, d.h. während des sukzessiven Auftragens mehrerer lasierender und kompakter Schichten reiner Ölfarbe auf Leinwand, Holz oder Karton, erlangen die einzelnen Farben nach und nach ihre Identität und gewinnen zudem an Intensität. Abseits jeglichen Kalküls, etwas außerhalb des Bildgeschehens „darstellen“ zu wollen, trifft der Maler aus dem fortschreitenden Entstehen des Bildorganismus heraus seine mitunter raschen Entscheidungen. Doch auch der mehr oder minder kontrollierte Zufall will gut verwaltet sein: Kein Pinsel berührt mehr den Bildträger, vielmehr verwendet der Künstler spezielle Spachtel und Rakel, um mit diesen eher ungewöhnlichen Gerätschaften zu malen. Glatt gespachtelte, annähernd bildparallel ausgerichtete Farbfelder und -zonen kontrastieren mit lebhaften, pastos-plastischen Reliefs und amorphen, schrundigen Verdickungen und „Störstellen“.
Insgesamt gesehen sind es alle diese diffizilen Fakturen, diese massiven Kraftzentren und bewegten Rhythmen, die den Noll´schen Arbeiten ihren spezifisch dynamischen Schwung verleihen. Schließlich resultiert die dynamische Wirkung der Farben aus dem direkten Zusammenspiel der unterschiedlichen Texturen und Strukturen: Die anonymisierte Bildgestaltung ist mit der individualisierten unlösbar verbunden. Als eine Art „malerische Inhaltsangabe“ lassen hierbei die einzelnen oft zur Seite gespachtelten und an den Rand gedrängten pastosen Farbgrate die nacheinander erfolgten Arbeitsschritte des Künstlers leicht nachvollziehen; als unmittelbare Relikte der jeweiligen (gestischen) Malaktion „entschlüsseln“ sie gewissermaßen den schichtweisen Bild-Bau. Sie muten bisweilen linear-ornamenthaft an und lassen dabei nicht zuletzt erkennen, dass es dem Maler weit mehr als früher um eine polychrome Zusammenschau aller Farbschichten geht. Insofern sind die neuen Werke tatsächlich sehr viel „bunter“ als die alten, vielleicht auch ein Stück weit unruhiger und expressiver. – Horst Nolls Farbmalerei ermöglicht in jedem Fall ein „sehendes Sehen“ (Max Imdahl): Der Betrachter ist eingeladen, die Raffinesse der künstlerischen Technik sowie die Wunder und Geheimnisse der Farbe und deren wahre Poesie (neu) zu entdecken.
Gunther Sehring
Öl auf Leinwand
40 x 40 cm
2017