Seit 2017 entsteht eine Serie von Bildern, die dem Werk Horst Nolls Neues hinzufügt. Gemeint ist nicht das Material an sich. Holz als Bildträger nutzt er schon lange und damit die Möglichkeiten zur Bearbeitung von Oberfläche und Farbauftrag, wie sie Leinwand und Papier nicht bieten. Es kommt ein anderer Aspekt zum Tragen. Statt der bisher eher neutralen Bildträger sind es hier Holztafeln mit ausgeprägter Oberflächenstruktur und teils unregelmäßigen Rändern.
Die Tafeln stammen aus abgebrochenen oder umgebauten Häusern des Schwarzwalds. Sie sind Teile von alten Dielen, Wand- und Deckenvertäfelungen, die lediglich gereinigt und mit rückseitigen Rahmen versehen wurden, sich aber ansonsten im Fundzustand befinden. Darauf und darin liegt ohne jede Grundierung die Farbe.
Für die Bearbeitung der Tafeln gilt die künstlerische Grundentscheidung, Strukturen des Holzes möglichst umfänglich sichtbar zu belassen. Die Konsequenz ist, dass der Malgrund selbst Teil der Komposition wird. Nicht nur Maserung, Astlöcher, Randformen sprechen mit, sondern auch die Zeichen von Alter und Gebrauch: Risse, Ausbrüche, Spuren von Holzwürmern. In die Schrunden und Unebenheiten der Tafel dringt die Farbe; sie bleibt oder wird wieder sichtbar, wenn Noll durch Heraus- und Abarbeiten der Farbe in unterschiedlichster Weise Einblick in den Aufbau des Bildes gewährt.
Beim Finden der Komposition rechnet und spielt Noll mit den Strukturen des Holzes, arbeitet mal mit ihnen, mal gegen sie. Wenn es die Komposition erfordert, belässt er es nicht bei dem vorgefundenen Gefüge. Partielle pastose Übermalungen können die natürliche Zeichnung unterbrechen. Auch führt zuweilen die Farbe bewusst oder unbewusst die Verläufe der Tafel weiter oder erfindet neue. Natürliche Linien, Astlöcher stehen neben künstlichen. Ganz unübersehbar setzt Noll den ungeschlachten Bildträgern intuitiv eine harmonisierende Komposition entgegen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Grundentscheidung, die Sichtbarbelassung des Holzes, in Frage gestellt würde.
So sind der Bearbeitung durchaus Grenzen gesetzt, um die Idee des Ganzen nicht zu gefährden. Das macht den Malprozess insgesamt weniger kontrollierbar, ein Teil der künstlerischen Entscheidung wird abgegeben und der Beschaffenheit des Materials überlassen. Gewollt und zugelassen zugunsten des Zusammenspiels von rohem Holz und Farbe.
Das macht die Serie zu den bislang wohl am wenigsten kalkulierbaren und zugleich rauesten Bildern im Werk Nolls.
Wolfgang Beckermann, Göttingen 2019
Öl auf Holz
ca. 32,5 x 26 cm
2019